Interview mit dem langjährigen Swisshand Präsidenten Carlo Galmarini

Interview mit dem langjährigen Swisshand Präsidenten Carlo Galmarini

Lieber Car­lo!

Seit über 20 Jahren engagierst du dich für eine wirtschaftliche Besser­stel­lung von inno­v­a­tiv­en Frauen in den ärm­sten Regio­nen dieser Welt. Was war Deine Moti­va­tion per­sön­lich­es Engage­ment und viel Zeit in die Stiftung Offene Hand ‹Swis­s­hand› zu stecken?

Meine erste Spender­reise führte mich im Jahre 2001 nach Kenia, da habe ich die grosse Armut und Abhängigkeit der Frauen von ihren Män­nern gese­hen. Frauen lebten mit ihren Fam­i­lien in ein­fach­sten Hüt­ten, ohne Licht, Wass­er und san­itären Anla­gen — sie arbeit­eten hart um ihre Fam­i­lien «sauber» zu hal­ten — sie tru­gen Wass­er in grossen Kübeln vom Dorf­brun­nen ins Haus und reinigten die Wäsche sowie sich selb­st am nahegele­ge­nen Fluss.

Da habe ich erst­mals so richtig real­isiert, wie gut es uns allen geht und dass diese grosse Ungle­ich­heit bekämpft wer­den muss.

Du hast auf Deinen zahlre­ichen Reisen nach Afri­ka sicher­lich viele ein­drück­liche Erleb­nisse gehabt. Woran erin­nerst du dich noch heute gerne zurück?

Eine mein­er vie­len Spender­reisen führte mich nach Ghana. Eine unser­er vie­len Kundin­nen kon­nte Dank der Unter­stützung von Swis­s­hand erfol­gre­ich ein Schnei­dergeschäft auf­bauen, das Schu­lu­ni­for­men schnei­derte — auf eine Finanzierung von Swis­s­hand war sie zu dieser Zeit bere­its schon nicht mehr angewiesen. Bei unserem Besuch machte ihr das Zuschnei­den der Stoffe infolge stark deformiert­er Hände zuse­hends grosse Mühe. Die Swis­s­hand Reiseteil­nehmer schenk­ten ihr spon­tan eine elek­trische Schere, die sie sich wohl selb­st nie gekauft hätte. Die Freude über unser Geschenk in ihrem Gesicht werde ich nie mehr vergessen — die grosse Dankbarkeit und Freude sowie das Strahlen in ihrem Gesicht. Unvergesslich!

Der Stiftung stellen sich immer wieder neue span­nende Her­aus­forderun­gen. Mit welchen Prob­le­men sahst du dich konfrontiert?

Weil wir fast auss­chliesslich in ländlichen Regio­nen tätig sind und Frauen die Möglichkeit geben zusät­zlich­es Einkom­men vor Ort zu gener­ieren und somit die ein­seit­ige Abhängigkeit von der Land­wirtschaft durch Regen/Dürre etc., reduzieren, hof­fen wir, dass wir auch der Land­flucht ent­ge­gengewirkt haben.

Eine grosse Her­aus­forderung waren aber die unendlich grossen Slums in Afri­ka. Ich habe vor eini­gen Jahren ein Test­pro­jekt in Addis Abe­ba entwick­elt; wir sucht­en Frauen aus der Umge­bung eines der grössten Slums in Addis Abe­ba, welche den Slum­be­wohner­in­nen beim Auf­bau ein­er Geschäft­sidee helfen resp. sie unter­stützen. So hat­te beispiel­sweise eine Frau, die Idee ihre feine Salat­sauce, die sie aus Kräutern aus dem Slum her­stellte, in den umliegen­den Gegen­den rund um den Slum zu verkaufen. Sie hat­te damit grossen Erfolg.

Dankbar waren wir all jenen Frauen, die keine Angst hat­ten, in den Slum zu gehen um andere Frauen zu unter­stützen. Das Pro­jekt war erfol­gre­ich, den­noch haben wir uns entsch­ieden uns auf unsere Stärken und unser langjähriges Erfol­gskonzept der Unter­stützung der Frauen auf dem Lande zu fokussieren.

Es wäre eine end­lose Auf­gabe, wenn man helfen möchte, dass es mehr Kle­inst-Unternehmen gibt um die zahlre­ichen Slums zu verbessern, d.h. bessere (Wohn- und Arbeits-) Bedingungen
zu schaffen.

Swis­s­hand unter­stützt engagierte Frauen beim Auf­bau klein­er Geschäfte. Oft wer­den kleine Lebens­mit­tel-Läden eröffnet, in Viehzucht investiert etc. ………. Was war/ist aus Dein­er Sicht die nach­haltig­ste Geschäfts-Idee, die wir mit ein­er Start­fi­nanzierung unter­stützt haben.

Für mich sind nach­haltige Geschäft­sideen erfol­gre­iche Geschäft­sideen resp. mit denen langfristige Verän­derun­gen her­beiführt wer­den kön­nen. 

Ein tolles Beispiel war für mich eine Frau, die bei uns einen Kleinkred­it für die Anschaf­fung eines Fischerbootes/Einbaums beantragte. Auf die Fra­gen, ob sie fis­chen resp. schwim­men kon­nte, verneinte sie bei­des. Sie 
argu­men­tierte, dass es genü­gend Män­ner gäbe, die für sie mit dem Boot hin­aus­fahren kön­nen — sie motivierte die Män­ner zur Arbeit! Vom täglichen Fang, erhiel­ten die Fis­ch­er (ihre Angestell­ten) die Hälfte, die andere Hälfte verkaufte sie auf dem lokalen Markt. Einige Jahre später hat­te die Frau weit­ere Boote gekauft und die Anzahl ihrer Angestell­ten erhöht.

Als weit­eres Beispiel kommt mir in den Sinn: In ein­er ländlichen Region gab es zahlre­iche Schulen und Schüler, aber keine Lehrer. Diese hat­ten die Region ver­lassen, nach­dem sie nach über einem Jahr vom Staat keinen Lohn für ihre Arbeit erhal­ten hat­ten. 

Eine unser­er Kundin­nen wollte als Lehrerin den Kindern aus der Gegend wieder die Möglichkeit geben, zur Schule zu gehen. Swis­s­hand finanzierte ihr den Auf­bau eines Schul­ge­bäudes: Pflöcke, 2 Träger und ein Blech­dach — die Wände wur­den mit Jutte aus­gek­lei­det, eine Wandtafel aufgestellt und ein paar Stück Krei­de. Die Eltern bezahlten für den Schulbe­such ihrer Kinder einen min­i­men Beitrag, der als Lohn für die Lehrerin diente. Die Kinder gin­gen zur Schule, san­gen und wur­den so gefördert. Heute hat die Schule über 900 Schüler und rund 30 Lehrer, dies in ein­er Gegend, in der son­st keine Schul­bil­dung möglich wäre. 

Was war die aus­ge­fal­l­en­ste Idee, die aber erfol­gre­ich und nach­haltig aufge­baut resp. unter­stützt wurde?

Bei einem Dorf­be­such im Osten Ugan­das trafen wir viele Waisenkinder an, die mit ihren alten und gebrech­lichen Gross­müt­tern unter ein­fach­sten Umstän­den lebten, deren Auf­gabe war es, für die Waisenkinder zu sor­gen. Ihre Eltern waren alle an Aids gestor­ben. Die Leben­sum­stände waren sehr, sehr ein­fach. Die alten Frauen stell­ten aus Kräutern Seife her, besorgten sich in den umliegen­den Dör­fern grosse Plas­tik­be­häl­ter um die Seife zu lagern und zu trans­portieren und verkauften das Pro­dukt in den umliegen­den Dör­fern. Dank der Unter­stützung von Swis­s­hand kon­nten sich die ­Dorf­be­wohner­in­nen Flaschen, Töpfe etc. besor­gen. Ein ganzes Dorf lebte also von der Her­stel­lung eines einzi­gen Pro­duk­tes — der Seife.

Was für eine Geschäft­sidee hättest du Dir gewün­scht, dass diese ein­mal vorge­bracht wor­den wäre respek­tive hätte aus Dein­er Sicht Aus­sicht auf Erfolg gehabt?

Für mich stand immer an oberster/erster Stelle, dass unsere Kundin­nen ihre eigene Geschäfts-Idee fan­den und wir sie finanziell bei der Umset­zung unter­stützen kon­nten. Unsere Kundin­nen sind glück­lich, wenn sie sehen, dass ihre eigene Idee funk­tion­iert und sie damit ein regelmäs­siges Einkom­men gener­ieren können.

Wie sollte Swis­s­hand in 10 Jahren auss­chauen respek­tive wie soll sich die Stiftung inskün­ftig auf­stellen um nach­haltig Erfolg zu haben?

Ich glaube daran, dass der Stiftungszweck (den ärm­sten Fam­i­lien zu helfen, eine eigene Exis­tenz aufzubauen um so der absoluten Armut zu entkom­men) weit­er­hin in seinem ursprünglichen Grund­sätzen erfüllt ­wer­den kann und soll. 

Ste­fan Mös­li, der neue Präsi­dent, ver­sucht die Frauen­grup­pen untere­inan­der (mit What­sApp-Grup­pen) zu ver­net­zen, was zu ein­er neuen/moderneren Eigen­ständigkeit unser­er Kli­entin­nen führen soll. Sie sollen sich gegen­seit­ig motivieren, unter­stützen, ihre Erfahrun­gen teilen und von ihren Erfol­gen erzählen. Das ist sicher­lich ein guter zukun­ftsweisender Ansatz.

Was liegt Dir für die Zukun­ft von  Swis­s­hand am meisten/besonders am Herzen?

Das wir uns auf die wirk­lich Ärm­sten fokussieren und nicht zu ein­er weit­en Mikro­fi­nanz-Organ­i­sa­tion wer­den, welche sich auss­chliesslich auf die Finanzierung bere­its «reifer Unternehmen» fokussiert.  

Du hin­ter­lässt als Präsi­dent der Stiftung Deinem Nach­fol­ger, Ste­fan Mös­li, grosse Fuss-Stapfen. Was möcht­est Du dem neuen Präsi­den­ten an dieser Stelle mit auf den Weg geben?

Freude und Erfolg!

Zum Schluss bleibt uns, Car­lo Gal­mari­ni ganz her­zlich für seinen unendlichen Ein­satz für die Stiftung Offene Hand «Swis­s­hand» zu danken. Er hat durch sein umsichtiges Han­deln, durch sein Ein­füh­lver­mö­gen und seine Visio­nen die Stiftung weit­er­en­twick­elt und geprägt. 

Das Prä­sid­i­um der Stiftung Offene Hand «Swis­s­hand» ging per anfangs 2022 an Ste­fan Mös­li über. Ste­fan Mös­li führt seit vie­len Jahren die Pro­gramme in Ugan­da und ist seit eini­gen Jahren bere­its Mit­glied des Stiftungsrats. Ein per­sön­lich­es Inter­view mit Ste­fan Mös­li wer­den wir in ein­er der näch­sten VCU-Newslet­ter-Aus­gaben führen. 

An dieser Stelle möcht­en wir auch Moni­ka Weber für ihren per­sön­lichen Ein­satz für die Stiftung in den ver­gan­genen 20 Jahren danken. Sie war die starke rechte Hand von Car­lo Gal­mari­ni und hat im Hin­ter­grund die Fäden der Stiftung in der Hand gehal­ten. Sie betreute von 2007 bis 2016 als Län­derver­ant­wortliche die Pro­gramme in Äthiopi­en und erledigte sämtliche admin­is­tra­tiv­en Auf­gaben, die bei ein­er Geschäftsstelle ein­er Stiftung anfall­en. Lieben Dank Monika!

Autor:

Sabine Ganz-Hem­mi, Fundrais­ing-Ver­ant­wortliche