Rechtsstaat versus Fundamentalismus

Die Badener Politikerin thematisierte in ihrem Vortrag im Brugger Salzhaus einseitige und damit extreme Einstellungen, die eine Gefahr für unsere liberale Gesellschaft sind.

Max Weyermann

Die 1949 gegründete Vereinigung Christlicher Unternehmer stellt sich der Herausforderung, christlichem und ethischem Gedankengut in der Unternehmenswelt und im privaten Umfeld nachzuleben. Grundwerte sind Respekt, Fairness, Verantwortung und Beharrlichkeit. Die Mitte-Politikerin wirkt  seit ihrer im Oktober 2019 erfolgten Wahl ins Bundesparlament gemäss diesen Leitlinien in Bern mit. In seiner Begrüssung zum – nach längerem coronabedingtem Unterbruch – wieder möglichen Treffen hiess Max Zeier, Präsident VCU-Regionalgruppe Aargau/Solothurn, nebst der Referentin auch Lukas Stutz-Kilcher, den aus Basel angereisten Zentralpräsidenten VCU Schweiz, und die weiteren rund dreissig Anwesenden willkommen.

Freiheit nicht missbrauchen

Marianne Binder betonte in ihrer Einleitung, das brisante und hochaktuelle Thema betreffend  Fundamentalismus in unserem Rechtsstaat beschäftige sie stark. Dazu gehörende extreme Gesinnungen seien oft nicht nur religiös konnotiert.  Auch dem Faschismus und dem Kommunismus habe die demokratische Legitimation gefehlt, womit fundamentale Grundrechte wie Meinungs- und Gewissensfreiheit missachtet worden seien. Wir aber neigten dazu, die eigenen kulturellen Gegebenheiten viel kritischer zu sehen als andere  Grundwerte aus dem gleichen Geltungsbereich. Die Referentin ist nicht zuletzt durch persönliche Erfahrungen vom Bewusstsein geprägt worden, dass wir das Privileg haben,  in einem freien Rechtsstaat leben zu dürfen. Dies sollten wir zu schätzen wissen und in der Wachsamkeit und Pflege unseres überlieferten Gedankengutes nicht nachlassen. Marianne Binder definierte totalitären Fundamentalismus als kompromissloses Festhalten an der eigenen „Wahrheit“, respektive Überzeugung. Dies sei die Gruppendynamik von sich minderwertig Fühlenden, welche sich stärken an der Ausgrenzung, Diskriminierung und Unterdrückung  von Menschen, so zum Beispiel von Frauen, Andersgläubigen, Personen mit unerwünschten Grundsätzen wie Intellektuellen, Kritikern und selbst Kindern (auch Zwangsverheiratung von Minderjährigen). „Der Fundamentalimus basiert auf einem totalitären Staatsapparat, der im absoluten Widerspruch zum Rechtsstaat steht“, so die Referentin.

Rechtsstaat hat Priorität

Sie betonte sodann betreffend religiösem Fundamentalismus, dass uns momentan der politische Islam und sein problematisches Verhältnis zum modernen Rechtsstaat nachdenklich stimme. Andererseits gehörten selbstverständlich viele Musliminnen und Muslime in der Schweiz  nicht zu fundamentalistischen Bewegungen mit ihren extremen Ansichten. Religionsfreiheit bedeute keinesfalls, dass sich unter diesem Begriff auch rechtsstaatsfeindliche Ideologien und Parallelgesellschaften tummeln dürften. Die Akzeptanz von anderen Kulturen sei zwar für uns grundlegend, aber Tendenzen zur Beschränkung oder gar Abschaffung  der Freiheit dürften niemals Teil unseres Integrationsgedankens sein. Es gebe leider Argumente für unsere Unsicherheit gegenüber gewissen religiösen Strömungen: „Während sich unsere Kirchenbänke zunehmend leeren, sind wir konfrontiert mit einer mächtigen Glaubensbewegung, die uns einschüchtert. Als Mehrheit sind wir Christen dazu erzogen, gegenüber Minderheiten im moralischen Rückstand zu sein.“ Heisst konkret: Es handle sich im Grunde oftmals um Toleranz und Gleichgültigkeit gegenüber der Intoleranz. Andererseits seien die meisten Menschen, die heutzutage in verschiedenen Staaten wegen ihres Glaubens verfolgt und aus ihren muslimisch dominierten Heimatländern vertrieben oder gar ermordet würden, Christen. Sie befänden sich jedoch zum Teil auch im schweizerischen Asylwesen gegenüber muslimischen Flüchtlingen stark in der Minderzahl und damit gewissermassen im Nachteil. Es manifestiere sich Handlungsbedarf, so das Fazit von Marianne Binder.

„Geschichte ist immer ein Teil dessen, was wir sind. Ich sehe meinen Beitrag als gewählte Politikerin in der Zeitspanne, in welcher ich auf Bundesebene mitwirken darf, auch darin, dass ich die Vergangenheit lebendig halten und immer in Einklang mit der Zukunft  bringen will“. Nach dieser abschliessenden Bemerkung, einer kurzen Diskussionsrunde mit  reger Zustimmung für die Referentin sowie Grussworten von Zentralpräsident Lukas Stutz-Kilcher – mit Hinweis auf die VCU-Schweiz-Jahrestagung vom 21. August 2021 in Baar – stand ein gemeinsames Mittagessen auf dem Programm.

Autor:
Max Weyermann, Brugg

Kontakt:
Max Zeier, Präsident VCU AG/SO

Nationalrätin Marianne Binder flankiert von Lukas Stutz-Kilcher (links) und Max Zeier.