
«Pro Tag 220 neue Vorschriften!»
Die Chancen zu erkennen und gleichzeitig die Risiken im Griff zu behalten, ist eine der wichtigsten Aufgaben jedes Unternehmens und besonders im Exportgeschäft von grosser Bedeutung. «Stellte ich mir früher die Frage, ob ich es mir leisten kann, ins Ausland zu expandieren, frage ich mich heute: Kann ich es mir leisten, es nicht zu tun?». So Patrik Zimmerli, der vor der VCU Vereinigung Christlicher Unternehmer Aargau/Solothurn die Exportförderangebote des Bundes erläuterte.
Um es vorweg zu nehmen: Dr. Kalt zog mit seinem Temperament und seiner profunden Fachkenntnis die rund 50 Zuhörer sofort in seinen Bann. Das von ihm gezeichnete Bild über die Zukunft des Finanzplatzes verheisst nichts Gutes. Der Finanzplatz Schweiz steht auch zehn Jahre nach der Finanzkrise noch immer in einem tiefgreifenden strukturellen Wandel. Die massiv höhere Regulierung, technologische Umwälzungen und ein äusserst schwieriges gesamtwirtschaftliches Umfeld mit wohl noch lange anhaltenden negativen Zinsen stellen die Branche auch künftig unter hohen Anpassungsdruck. Wohin geht die Reise für die Schweizer Finanzbranche, wo ergeben sich Chancen und woher drohen neue Risiken?
Banken sind der Treibstoff der Wirtschaft
Man mag die Banken mögen oder nicht, sie sind nach wie vor der Antriebsmotor der Wirtschaft. Wo immer Geld benötigt wird, um zu bauen oder zu investieren, kommen die Finanzinstitute ins Spiel. Allerdings hat sich der Charakter des Geschäftes in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Lebte die Mehrzahl der Banken jahrzehntelang vom Zinsdifferenzgeschäft, wird heute im Finanzmarkt – Asset Management, Private Banking –ein Grossteil der Wertschöpfung generiert. Im Zeitalter der Negativzinsen ist die früher hohe Bedeutung des klassischen Kreditgeschäftes verblasst.
Der Finanzplatz Schweiz im Strudel der Geldfluten
Dieser Wandel ist nicht abgeschlossen. Kalt: «Die Zentralbanken fluten den Markt mit ungeheuren Geldmengen.» Folge ist, dass das klassische Geldgeschäft absurde Züge zeigt. So zahlen Banken dafür, dass sie Geld über Kredite loswerden oder dafür, dass sie Geld bei der Nationalbank deponieren können. Insbesondere Sparer leiden unter dieser Lage. Nicht zu vergessen, die Pensionskassen, die in einem harten Kampf und irgendwie die nötige Rendite erwirtschaften müssen. «Das ist für die Banken schlicht eine Katastrophe», warnt Dr. Kalt. Insbesondere kleinere und mittlere Banken dürften mit dem Niedergang des Kreditgeschäftes über kurz oder lang enorme Probleme kriegen.
Regulierung bis zum Wahnsinn
Ein weiterer Knackpunkt ist die aktuelle Regulierungswut des Staates, die besonders nach der Finanzkrise 2007 einsetzte und mit den jüngsten Steuer- und Betrugsskandälen eine weitere Verstärkung erfuhr. So beschäftigt die UBS ein Heer von rund 2500 Juristen (!), die sich zur Hauptsache mit der unaufhaltsamen Flut von Regulierungen und Vorschriften herumschlagen. Kalt: «Durchschnittlich werden wir pro Tag mit über 220 geänderten oder neuen Vorschriften konfrontiert. Das ist schlicht ein Wahnsinn!».
Dass der Börsenkurs der Banken, so Dr. Kalt, davon nicht gerade profitiere, liege auf der Hand. Die Entwicklung gefalle niemandem, am wenigsten den Banken selbst. Zu allem Ueberfluss könne man davon ausgehen, dass sich an dieser desolaten Situation vorläufig nichts ändern werde. Die EZB werde so weitermachen, die Schweizerische Nationalbank ebenfalls, weil man schlicht keine andere Wahl habe.
Trumps Wirtschaftspolitik, die Angst der Europäer vor der Rezession
Was sind die Ursachen dieser verrückten Entwicklung? Dr. Kalt sieht die Wirtschaftspolitik der Regierung Trump an vorderster Stelle der Schuldigen. Der US-Haushalt und die Handelspolitik der Amerikaner sind desolat. Quasi begleitend dazu agieren die Europäer politisch, und die Europäische Zentralbank (EZB) produziert aus Angst vor einer möglichen Rezession ungeheure Geldmengen, mit denen marode, meist südeuropäische Staaten gestützt werden. Dies alles führt zur heutigen Situation. Das Brisante daran: «Niemand, wirklich niemand, weiss, was letztlich herauskommt», so Kalt.
Schweiz hat Stärken
In einer Lagebeurteilung bewertet Kalt die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Schweiz als grosses Plus. Er sieht unser Land insgesamt hervorragend aufgestellt. Die Top-Positionen in Wettbewerbs‑, Digitalisierungs- und Innovationsrankings sind ein Beweis dafür. Die hohe Rechtssicherheit werde insbesondere von vielen ausländischen Partnern sehr hoch bewertet. Diese alles mache die Schweiz als Standort von internationalen Unternehmen attraktiv. Die direkte Demokratie, der Föderalismus und das im internationalen Vergleich hervorragende duale Bildungssystem sind wichtige Grundlagen unseres Erfolges. Der sichere Schweizer Franken, eine solide Finanz- und Steuerpolitik ergänzen dieses positive Bild. Und schliesslich stehen die Grossbanken letztlich gestärkt, fokussierter und stabiler da als vor der Finanzkrise.
Respekt, Fairness, Verantwortung
Mit Anlässen zu aktuellen Themen fördert die Vereinigung christlicher Unternehmer VCU den Erfahrungs- und Meinungsaustausch unter den Mitgliedern sowie mit Fachleuten und interessierten Gästen. Hauptfokus ist laut VCU-Präsident Max Zeier dabei das «Wirtschaften mit Werten». Ziel der Vereinigung ist es, ihren Mitgliedern unternehmerische, gesellschaftliche und ethische Impulse zu vermitteln und ihre Verantwortung im Umgang mit Gesellschaft und der Welt wahrzunehmen. Dies ganz nach dem Motto: «Respekt – Fairness – Verantwortung».