Energiepolitik — wie weiter?
Der weltweite Verbrauch von Primärenergie nimmt mit der wachsenden Bevölkerung ständig zu. Eine sichere, wirtschaftliche Energieversorgung ist die Grundlage für eine gesunde Volkswirtschaft und für den Wohlstand der Menschen. «Für die Umwandlung von Primärenergie in elektrische Energie stehen uns verschiedene Technologien zur Verfügung. Es geht darum, eine sichere, wirtschaftliche, umweltschonende Lösung zu finden». So Edwin Somm, vormaliger CEO der ABB Schweiz und ausgewiesener Energiefachmann, an einer Veranstaltung der VCU Aargau/Solothurn.
Dipl. Masch.-Ing. ETH Edwin Somm …
… stiess unmittelbar nach dem Studium zur damaligen BBC. Er verbrachte in diesem Unternehmen sein eigentliches Berufsleben und absolvierte eine bemerkenswerte Karriere bis hin zum CEO der ABB Schweiz und zum VR des ABB-Konzerns. Somm zählt zu den erfahrensten Exponenten der Maschinen- und Elektroindustrie unseres Landes und ist bekannt für eine offene und gradlinige Meinung. Im Zentrum seines Referates stand die künftige Energieversorgung unseres Landes unter dem Aspekt der Energiestrategie 2050 des Bundes.
Energiesparmassnahmen – gut oder nur gut gemeint?
«Uns allen ist der zu hohe Energieverbrauch bewusst. Das Klimaproblem ist mittlerweile eine akzeptierte Tatsache. Tatsache ist auch, dass wir dies mit einer Reduktion des CO2 bekämpfen wollen. Das ist zwar positiv, aber diese Reduktion muss am richtigen Ort passieren», mahnte Somm. So zählen China, Indien, Russland und Brasilien zu den heute grössten CO2-Produzenten, und gemäss dem Pariser Klimaabkommen dürfen sie diese noch ausweiten. Die Schweiz hingegen, die ohnehin schon absolut sauberen Strom produziert, soll ihre CO2-Emissionen noch weiter reduzieren. Dabei spielt die Schweiz – weltweit gesehen – mit nur 0,5 Prozent des weltweiten Primärenergieverbrauches eine verschwindende Rolle. Das ist, so Somm, eine verkehrte Welt. Er plädiert dafür, dieses Geld sinnvollerweise dort zu investieren, «wo es tatsächlich etwas bringt». So wäre es beispielsweise viel nützlicher, damit die grossen Braunkohlekraftwerke in Indien und China mit umweltschonender Technologie nachzurüsten; die Verfahren sind seit langem bekannt und erprobt. Bemerkenswert ist auch, dass in der ganzen CO2-Diskussion Auto- und Luftverkehr immer wieder ausgeklammert werden.
Woher soll künftig der Strom kommen?
Bis zum Jahr 2050 sollen gemäss der bundesrätlichen Strategie der Endenergieverbrauch um 54 % und der Stromverbrauch um 18 % reduziert werden. Das primäre Ziel dieser Strategie ist der Ausstieg aus der Kernenergie. Deutschland und die Schweiz sind weltweit die einzigen Staaten, die diesen Schritt vollziehen. Der bisher in unseren KKW’s produzierte Strom soll künftig durch erneuerbare Energiequellen wie primär Wind und Sonne, aber auch durch importierten Kohlestrom (!) ersetzt werden. Als Lieferanten dieses Kohlestroms werden Deutschland, Frankreich und Italien genannt. Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass allein Deutschland im Winter 2019/20 soviel Strom importieren muss, wie im KKW Gösgen produziert wird; im Winter 24/25 soll dieser Import gar auf das Achtfache ansteigen. Wir rechnen also mit der Stromlieferung aus Deutschland, während gleichzeitig den Deutschen der Strom ausgeht. Somm: «Diese Rechnung wird nicht aufgehen». Sollten künftig Stromengpässe eintreten, hat der Bundesrat konkrete Zwangsmassnahmen geplant. «Das ist Kriegswirtschaft und würde unsere Wirtschaft, Gewerbe und Industrie nachhaltig schädigen». Wirtschaft und Unternehmer sollten heute Einfluss auf ihre Parlamentarier nehmen, damit die Weichen für morgen richtig gestellt werden.
Speichertechnologien und Kernfusion als Heilsmittel?
Viel klüger wäre es gemäss Somm, die saisonale Stromversorgung auf gesunde Beine zu stellen und mit einer liberaleren Energiepolitik Anreize zu schaffen, die private Investoren wieder zum Bau von Kraftwerken motivieren. Und es gilt, die bestehenden Speicherseen als «Saison-Batterien» konsequent zu schützen und zu bewirtschaften. Mittelfristig sieht Somm hohen Bedarf in der Forschung für eine zweckmässigere saisonale Versorgung und Speichertechnologien. »Schon heute wird z.B. in Deutschland der im Sommer massenhaft anfallende, überschüssige Strom in der Heizung von Eisenbahnweichen buchstäblich verbrannt, denn es fehlen Speichermöglichkeiten und Ueberland-Stromleitungen in die Zentren – das ist doch ein Irrsinn», so Somm. Grosse Hoffnungen ruhen langfristig in der Kernfusionsforschung. Die Kernfusion soll den Prozess der Sonne auf die Erde bringen und damit die globale Energieversorgung für immer sicherstellen. Projekte in Deutschland und Frankreich laufen mit Schweizer Beteiligung seit längerem.
Respekt, Fairness, Verantwortung
Mit Anlässen zu aktuellen Themen fördert die Vereinigung christlicher Unternehmer VCU den Erfahrungs- und Meinungsaustausch unter den Mitgliedern sowie mit Fachleuten und interessierten Gästen. Hauptfokus ist laut VCU-Präsident Max Zeier dabei das «Wirtschaften mit Werten». Ziel der Vereinigung ist es, ihren Mitgliedern unternehmerische, gesellschaftliche und ethische Impulse zu vermitteln und ihre Verantwortung im Umgang mit Gesellschaft und der Welt wahrzunehmen. Dies ganz nach dem Motto: «Respekt – Fairness – Verantwortung»