Veranstaltungsbericht

Eine geistliche Speisekarte am Aschermittwoch

Mit dem TimeOut vom 2. März konnten wir uns nicht nur zum ersten Mal in diesem Jahr wieder physisch begegnen, sondern nahmen auch die Tradition wieder auf, in der Fastenzeit ein geistliches Thema zu wählen. Alt-Generalvikar Josef Annen stellte sich für diese Aufgabe zur Verfügung und stimmte uns mit seiner geistlichen Fastenspeise in drei Gängen wunderbar auf die kommende Zeit ein.

Gewiss interessiert Sie das Menü, das uns Josef Annen vorsetzte? In der Vor-speise machte er uns vertraut mit dem Vergleich vom Mist auf dem Acker Got-tes, der auf Johannes Tauler (1300 – 1361) zurückgeht. In der Hauptspeise zitierte er den Philosophen Peter Sloterdijk (geboren 1947) und den Theologen Romano Guardini (1885 – 1968). Und zur Nachspeise empfahl er uns das Gebet, gleich einem würzigen, im Salzbad gut gereiften Käse. Wie bei jedem guten Menü schmeckten uns alle drei Gänge ausgezeichnet. Sollte ich eine einzelne Zutat, eine einzelne Speise hervorheben, so ist es ein Satz von Peter Sloterdijk, der auch Josef Annen unvergesslich blieb: «Der Mensch muss von einem Nehmenden zu einem Gebenden werden.»

Gebet ermöglicht Unterbruch

Persönlich sehr berührt hat mich auch, was Josef Annen über das Gebet sagte: «Beten ist zuerst einmal Unterbruch.  Wenn ich bete, tue ich zuerst einmal nichts. Ich habe frei, lasse Arbeit und Pflicht ruhen. Ich bin da vor dem Geheimnis meines Lebens. Ich erzähle Gott, was mich umtreibt, was mich freut und was mich ängstigt. Ich atme durch und lasse Gott wirken.» Der langjährige Generalvikar des Bistums Chur für den Kanton Zürich schloss daran eine persönliche Erfahrung:

«Ich habe mich als Generalvikar manchmal gefragt: Warum tust dir dies an, von einer Sitzung zur anderen zu gehen und als Sandwich zwischen Chur und Zürich zu pendeln? Wenn ich am Sonntag mit einer Pfarrei Gottesdienst gefeiert habe, habe ich mir gesagt: Es ist schöner und dankbarer, als Seelsorger in einer Pfarrei zu wirken denn als Generalvikar Gremienarbeit zu verrichten und unlösbare Personalien zu bearbeiten. Das Gebet hat mir weitergeholfen. Mit Henry Newman habe ich mir gesagt: Gott hat mich erschaffen, dass ich ihm auf eine besondere Weise diene. Er hat ein bestimmtes Werk mir übertragen und keinem anderen. Jetzt mach deine Aufgabe, die dir anvertraut ist. Gott lässt dich nicht im Regen stehen.»

Impulse über die Fastenzeit hinaus

In seiner ebenso ruhigen wie in sich ruhenden und gehaltvollen Art und Weise schloss Josef Annen, der seit seinem Rücktritt als Generalvikar im November 2020 vor allem wieder als Aushilfe in Pfarreien tätig ist, mit den folgenden Worten seine Gedanken, welche seine wunderbare ‹Predigt› bestens zusammenfassen:

«Zur Vorspeise tragen wir unseren Mist auf den Acker der Liebe Gottes. Zur Hauptspeise verabschieden wir die Selbstbezogenheit, richten uns nach Gott aus und öffnen uns den Nächsten in Nah und Fern. Wir werden von Nehmenden zu Gebenden und wissen: Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es gewinnen.» Damit uns das gelingt, empfiehlt sich als Nachspeise das Gebet. Was das Salzbad für den Käse ist, das ist das Gebet für uns. Es zieht die schädlichen Bakterien der Selbstbezogenheit und Unzufriedenheit aus uns heraus. Es kräftigt und schützt uns. Und es gibt unserem Leben Würze und Geschmack.»

Langanhaltender Applaus der Anwesenden, darunter eine schöne Anzahl vom Club Felix, verdankte Josef Annen seine Ausführungen. Herzlichen Dank für diesen ausgezeichneten Einstieg in die Fastenzeit. Es sind Impulse, die uns über die Fastenzeit hinaus begleiten werden. Eigentlich ist es ja doch ganz einfach, man/frau muss es einfach machen. Am besten fangen wir heute noch an.


Autor:

Roland Gröbli, Präsident VCU RG Zürich