Editorial von Leonhard Grämiger

«Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen»
Dieses Zitat von Mahatma Gandhi (1869 – 1948), dem vor über 76 Jahren ermordeten, indischen Unabhängigkeits- und Friedensaktivisten, hat auch in der heutigen Zeit nichts von seiner Aktualität verloren!
Heute haben wir dafür andere Begriffe gefunden wie Entschleunigung, Down Sizing etc., aber die Sehnsucht des Menschen zur Reduktion von Geschwindigkeit im Leben ist geblieben.
Aber wo liegen die Gründe in unserer heutigen Gesellschaft, wo es doch den meisten Leuten gut geht und wir uns fast alles leisten können?

Überfluss führt uns an Grenzen
Ich glaube, es ist gerade der Überfluss an Gütern, Dienstleistungen, Angeboten und Informationen, welcher uns an Grenzen bringt. Hier einige Bespiele, welche sich wohl beliebig fortsetzten liessen:
Wir kaufen das ganze Jahr über Früchte und Gemüse aus Spanien, obwohl wir wissen, dass die iberische Halbinsel am Vertrocknen ist und der dortigen Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes das Grundwasser für die Trinkwasserversorgung abgegraben wird.
Wir verreisen mit dem Flugzeug in ferne Feriendestinationen, bauen ständig neue Strassen und Autobahnen, um mit immer grösseren und schwereren Autos schneller von A nach B zu gelangen, obwohl wir wissen, dass der Verkehr einer der grössten CO2-Emittenten ist und somit stark zur Klimaerwärmung beiträgt.
Unsere Mobiltelefone und das Internet werden immer schneller, sodass heute Güter rund um die Uhr online in Fernost und anderen Ländern bestellt werden können und wenige Tage später in unseren Briefkästen landen, ohne Berücksichtigung von Ausbeutung, Kinderarbeit oder Umweltbelastung bei der Herstellung der Produkte.

Was brauchen wir wirklich?
Wie schon Gandhi vor fast hundert Jahren festgestellt hat, sind diese «Auswüchse» aber nicht das Wichtigste im Leben, sondern wir Menschen und insbesondere wir Mitglieder vom VCU müssen uns fragen, was die Menschheit heute wirklich braucht und wo wir vielleicht etwas bewirken können.
Ich persönlich glaube, dass wir versuchen sollten, von dem heute weit verbreiteten Phänomen der «Selbstverliebtheit» wegzukommen und mit offenem Visier und grossem Herzen wieder mehr Solidarität zeigen müssen mit unseren Mitmenschen, welche im Leben weniger Glück haben!
Dieses Phänomen zeigt sich übrigens nicht nur bei einigen Spitzenmanagern, welche sich ungerechtfertigt hohe Boni auszahlen lassen, sondern auch in unserer direkten Demokratie, wo beispielsweise eine Mehrheit der Stimmbürger der 13. AHV-Rente zugestimmt hat; dies im Wissen, dass die künftigen Generationen diese Rechnung bezahlen müssen, welche 80 Prozent der Rentnerinnen und Rentner überhaupt nicht nötig haben.
Respekt, Fairness, Verantwortung – das liegt in unseren Genen!

Autor:

Leonhard Grämiger
Präsident VCU Ostschweiz