Im Gespräch mit Levente J. Dobszay

«Eine neue Welt verlangt neue Verhaltensmuster»

VCU: «Levente Dobszay, beruflich wirkst Du in wichtigen Fachgremien zur Cyber-Security mit. Alle reden über Cybersecurity. Wovon reden wir da?»

Levente J. Dobszay: «Cybersicherheit (ich bevorzuge den deutschen Ausdruck, weil er ‹Security› und ‹Safety› miteinschliesst) ist das ganzheitliche Management digitaler Risiken. Anders ausgedrückt: Wir wollen auch in der digitalen Welt sorglos leben können und einen ‹digitalen Sicherheitsvorfall› möglichst schadlos überstehen. Digitale Daten und Systeme sollen vor dem Zugriff Unberechtigter geschützt sein, sie sollen nicht verfälscht bzw. kompromittiert werden und dennoch immer verfügbar sein. Dafür brauchen wir sichere Produkte, die sicher genutzt werden können.»

VCU: «Ist das ein Thema, das vor allem Unternehmen betrifft?»

Levente J. Dobszay: «Als Nutzer digitaler Systeme sind sowohl Unternehmen als auch wir als Einzelpersonen von den digitalen Risiken betroffen. Die Frage ist nicht, ob ein Sicherheitsvorfall eintritt, sondern wann. Ein solcher kann durch eine Hackerattacke oder aber auch durch ein Systemversagen ausgelöst werden. Und dann stellt sich die Frage, wie gut wir auf einen solchen Vorfall vorbereitet sind und wie wir damit umgehen. Für Unternehmen kann ein Cyber-Angriff existenzbedrohend sein. Als Individuum geht es vor allem um den Schutz der Privatsphäre. Sicherlich besitzen viele Fotos oder private Chats, die sie nicht mit der ganzen Menschheit teilen möchten.

Zukünftig nehmen die Risiken tendenziell zu. Wer seine Haustüre mit einer App öffnet oder Haushaltsgeräte über Systeme steuert, steht bei einem Hackerattacke vielleicht vor verschlossener Türe oder kann den Kaffee nicht mehr geniessen. Das müssen wir uns einfach bewusst sein. Bereits heute können wir fast täglich über solche Ereignisse lesen. Dennoch tut sich herzlich wenig. Für mich ist das unverständlich.»

VCU: «Muss ich grundsätzlich misstrauisch sein?»

Levente J. Dobszay: «Diese Frage beantworte ich mit einem klaren JA. Sicherheit ist zwar eine subjektive Wahrnehmung bzw. nur ein Gefühl, das nicht konkret gemessen oder in Zahlen ausgedrückt werden kann. Wir bewegen uns hier aber in einer neuen Welt, sind mit neuen Rahmenbedingungen konfrontiert. Deshalb müssen wir unsere gewohnten «Sicherheitsfilter» überdenken. Eine neue Welt verlangt neue Verhaltensmuster. Ein «gesundes Misstrauen» ist sicher angebracht.»

VCU: «Wie kann ich neue Wege und Lösungen finden?»

Levente J. Dobszay: «Unsere Wahrnehmung basiert auf Mustererkennung und auch Computer funktionieren nach diesem Prinzip. Beim Lernen der Muster, um uns in der digitalen Welt sicher zu bewegen, stehen wir noch ganz am Anfang.»

Es ist aber wichtig, dass wir dies lernen. Cybersicherheit ist heute für fast jeden Aspekt des modernen Lebens von entscheidender und oftmals sogar von existenzieller Bedeutung — vom Konsumentenschutz bis zur nationalen Sicherheit. Es geht längst nicht mehr nur um den Schutz von Daten, sondern auch um den Schutz von cyberphysischen Systemen, Menschenrechten und Menschenleben. Generell gilt es, mit hinreichender Transparenz und verlässlichen Sicherheitsstandards eine belastbare Vertrauensbasis zu schaffen.»

VCU: «Und noch eine Frage? Wie lange gibt es WWW noch, im Sinne von weltweit offenen und frei zugänglichen Netzen? Sind sie das überhaupt?»

Levente J. Dobszay: «Durch die in Entstehung befindliche Regulierung der digitalen Welt, die es dringend braucht, wird sich das Internet stark verändern. In meiner Arbeit bemühe ich mich, zu einer sinnvollen Regulierung beizutragen, damit wir die positiven Errungenschaften der Digitalisierung bewahren und ausbauen können.»

VCU: «Du bist seit 2010 Mitglied der VCU Zürich und wirkst seit 2012 im Vorstand mit. Was bedeutet Dir die VCU?»

Levente J. Dobszay: «Die VCU ist für mich ein ‹Ort›, wo ich mich über Dinge unterhalten und austauschen kann, die in meinem Berufsleben keinen Platz finden. Die Informatik ist mehrheitlich leider sehr atheistisch geprägt und Themen wie christliche Wirtschaftsethik sind da schon fast ein Fremdkörper. Deshalb ist die VCU für mich ein Ausgleich dazu.»

VCU: «Lieber Levente, vielen Dank für Deine Auskunft. Gerne wünschen wir Dir beruflich wie privat alles Gute und natürlich freuen wir uns, Dich oft in unserem Kreis begrüssen zu können.»


Autor:

Roland Gröbli, Präsident VCU RG Zürich