«Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser»

«Schlussendlich muss ich ja für die Fehler meiner Mitarbeitenden geradestehen, da muss ich ja auch genau überwachen, wie sie arbeiten.» oder «Mir arbeitet keiner im Homeoffice, da weiss ich ja gar nicht, ob wirklich gearbeitet wird.»

So oder ähnlich tönt es manchmal von Führungskräften, was einige von uns völlig nachvollziehbar, andere haarsträubend finden. Das ideale Mass an Kontrolle ist je nach Arbeitsfeld und Situation unterschiedlich.

In einer Notsituation ist es beispielsweise, unabhängig vom Arbeitsfeld und der Qualifikation der Mitarbeitenden, angebracht, dass eine Führungskraft sehr direktiv ist und nur wenig Spielraum lässt. Dann gibt es Mitarbeitende, die eine enge Führung vollkommen tolerieren und andere, für welche das ein Kündigungsgrund ist.

Eigenes Verhalten reflektieren

Es lohnt sich als Führungskraft, auch diesbezüglich das eigene Führungsverhalten immer wieder zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen. Weshalb?

Wenn beispielsweise in einem Team von hoch qualifizierten und erfahrenen Fachexperten im täglichen virtuellen Team-Meeting morgens jede Person sehr detailliert angeben muss, welche Aufgaben sie wann zu erledigen gedenkt und abends erneut sehr detailliert rapportieren muss, was sie effektiv geschafft hat, kann das schnell zu Frust führen.

Die Mitarbeitenden fühlen sich nicht wahrgenommen als kompetente Fachkräfte, sondern zurückversetzt in die Schulzeit, als sie die Arbeitshefte jeweils dem Lehrer zur Korrektur abgeben mussten. Dies wirkt sich direkt auf die Motivation der Mitarbeitenden aus.

Eine enge Kontrolle der Mitarbeitenden kostet eine Führungskraft viel Zeit, die sie oft effektiver für andere Aufgaben einsetzen könnte. Wenn ich jede E-Mail meines sehr erfahrenen und der deutschen Sprache mächtigen Mitarbeiters vor dem Versand kontrolliere, verliere ich viel kostbare Zeit.

Nicht selten berichten Führungskräfte, die alle ihre Mitarbeitenden sehr eng führen, von einer grossen Arbeitsmenge und zeigen Überlastungssymptome. Kaum erstaunlich, wenn man bedenkt, dass diese Führungskräfte viel zusätzliche Verantwortung für die Arbeit anderer übernehmen.

Teufelskreis vermeiden

Sehr strenges Kontrollverhalten kann zudem zu einem Teufelskreis führen: Wenn ein Team von der Führungskraft sehr eng kontrolliert wird, besteht die Gefahr, dass die Mitarbeitenden keine Eigenverantwortung mehr übernehmen und nicht mehr mitdenken. Sie wissen, dass ihre Arbeit sowieso kontrolliert und nach Gutdünken der Führungskraft überarbeitet wird.

Für ökonomisch denkende Mitarbeitende lohnt sich ihr persönlicher Arbeitsaufwand nicht und sie erledigen Aufgaben weniger genau, da die Arbeit sowieso noch kontrolliert wird. Dadurch wird der Zeitaufwand für die Führungskraft je länger je grösser.

Die Argumente für mehr Vertrauen und weniger Kontrolle klingen einleuchtend. Aber weshalb gelingt es nicht allen Führungskräften, mit etwas mehr Grosszügigkeit zu führen?

Dass das einigen Führungskräften schwerer als anderen fällt, hat mit ihrer Persönlichkeit zu tun. Ist jemand sehr genau und detailorientiert, fällt es ihm schwer, sich auf die Leistung einer anderen Person zu verlassen, die eine Aufgabe womöglich etwas pragmatischer und mit einer geringeren Genauigkeit angeht.

Mit einem sehr strengen eigenen Qualitätsmassstab muss die Führungskraft also entweder die Aufgaben selbst ausführen oder die Aufgaben der anderen eng kontrollieren.

Eine Führungskraft mit einer geringeren Detailorientierung kann damit lockerer umgehen. Die Delegation von Aufgaben an andere fällt ihr leichter. Es geht mehr nach dem Motto: «Ich vertraue meinen Mitarbeitenden, bis sie mich enttäuschen.».

Das bedeutet nicht, dass eine genaue, detailorientierte Führungskraft nicht auch grosszügiger bezüglich Spielräumen sein kann, aber es braucht sie mehr Energie, da es nicht ihrem natürlichen Verhalten entspricht.

Kalkulierbares Risiko

Zugegeben, den Mitarbeitenden zu vertrauen, birgt ein gewisses Risiko, denn als Führungskraft trägt man schliesslich die Gesamtverantwortung für die Teamleistung. Damit man seinen Mitarbeitenden vertrauen kann, hilft deshalb ein positives Menschenbild.

Ich bin überzeugt, dass alle Menschen gerne gute Leistungen erbringen und Ziele erreichen möchten. Wenn das bei jemandem nicht so ist, gibt es Störfaktoren, die Beachtung und Bearbeitung verlangen.

Durch ein positives Menschenbild können wir besser loslassen und haben weniger das Bedürfnis zu kontrollieren. Dadurch kommt es vor, dass ein Mitarbeitender eine Aufgabe anders erledigt, als wir es tun würden – und das kann zu Fehlern führen. Aber, ist unsere eigene Vorgehensweise wirklich immer die einzig richtige? Und woraus lernen wir, wenn nicht aus Fehlern?

Sind das für Sie nicht auch genügend Gründe, um Hemingways Rat zu befolgen: «Der beste Weg herauszufinden, ob du jemand vertrauen kannst, ist ihm zu vertrauen?

Autor:
Eva Fankhauser
Vorstand RG Linth
Managing Partner BäRa Dienstleistungen GmbH