James Ladner: Ein loyaler, weltläufiger Gentleman


Wenn ich James Ladner in einem Wort charakterisieren will, fällt mir «Gentleman» ein. In Diskussionen brachte er gute Fragen, kluge und humorvolle Bemerkungen ein, drängte sich aber nie in den Vordergrund. Gepaart mit lebhaftem Interesse am Geschehen und am Mitmenschen bewahrte er eine noble Zurückhaltung. Und er war immer eine gute Adresse, wenn es darum ging, ein Netzwerk zu aktivieren.

Vor 50 Jahren, 1974 trat er der VCU Zürich bei. Wir treffen uns zum Mittagessen, um diese 50 Jahre Mitgliedschaft Revue passieren zu lassen, aber auch, weil er sich im 85. Altersjahr zum Austritt entschlossen hat.

James Ladner kam 1939 als Sohn eines gebürtigen St. Gallers mit ungültigem österreichischem Pass und einer Thurgauer Mutter auf die Welt. Als staatenloser St. Galler. Seine Mutter hatte durch die Heirat ihre schweizerische und beide Eltern durch den Anschluss Österreichs an Deutschland ihre österreichische Staatsbürgerschaft verloren.

Erst nach dem Krieg konnte die Familie die Summe aufbringen, also das 1,5 fache des Jahreseinkommens, teilweise geliehen, um die Schweizer Staatsbürgerschaft zu erwerben (bzw. wieder zu erwerben). Diese Geschichte erfahre ich beim Mittagessen. Es ist eine Biografie, die wir uns heute kaum mehr vorstellen können.

Vom staatenlosen St. Galler zum weltläufigen Financier

Nach der Handelsmatura in St. Gallen und vor und nach dem Studium an der HSG (Abschluss mit lic. oec. HSG) arbeitete er bei Banken in St. Gallen und vor allem in Zürich (28 Jahre) sowie in London und New York, wo er auch seine erste Frau kennengelernt hatte.

Mit 53 Jahren musste er sich beruflich «neu erfinden» (Zitat James), wurde Mitgründer einer Bank in London, die er in Zürich repräsentierte, und ist bis heute als Verwaltungsrat und Wirtschaftskonsulent tätig. Zwar habe er, sagt er fast entschuldigend, die meisten Mandate vor dem 80. Geburtstag abgegeben, aber einige kleinere betreut er bis heute.

Nebst dem beruflichen gibt es auch den privaten James. Er ist ohne Zweifel ein liebenswürdiger, kluger Mensch, dennoch ein «Zahlenmensch» (seine Worte), dem aber auch der Glaube und die aktive Ausübung dieses Glaubens in einer freikirchlichen Gemeinschaft wichtig sind. Hier fand er die religiöse und spirituelle Heimat, welche ihm die katholische Kirche nach seiner ersten Heirat mit einer geschiedenen Frau verwehrt hatte. Und nebst all dem spürte ich bei ihm immer eine gewisse Grundskepsis; sicherlich liess er sich nie ein X für ein U vormachen.

Wenn also Skepsis das zweite Stichwort ist, das mir zu James einfällt, so ist Weltläufigkeit (über 120 Länder besucht) das dritte. Man spürt, dass er viel von dieser Welt gesehen und es zu «etwas» gebracht hat. In den Schoss gefallen ist ihm nichts. Heute freut er sich mit seiner zweiten Frau Marguerite an den Kindern, Grosskindern und Urgrosskindern aus je der ersten Ehe. Und wer mit James über Persönliches spricht, wie ich dies an diesem Mittagessen durfte, spürt, dass sein Glauben und seine Frau Marguerite die beiden wichtigsten Fundamente für sein Wohlbefinden sind.

Mitglied des Ältestenrats zur Rettung der VCU Zürich

Zur VCU Zürich kam er 1974 durch seinen Studien- und Militärfreund, den legendären Herbert Widmer (Nachruf unter Nachruf - VCU). Als Herbert Präsident von Swisshand war (1985 – 1992) half James beim Fundraising mit und besuchte später als Begleiter seiner Frau, das neue Swisshand-Projekt in Benin.

Und 2009, als der Fortbestand der VCU Regionalgruppe Zürich mangels Führung gefährdet war, gehörte er dem Ältestenrat an, der Karl Wolf als neuen Präsidenten (und gleichzeitig als neues Mitglied) gewinnen konnte.

Als geborener Netzwerker und Unterstützer von Start-Ups begrüsste James die Jahrestagung 2022, die dem Thema der (Jung-)Unternehmerinnen und –Unternehmer gewidmet war. In demselben Jahr verhalf er einem Mitglied zu wertvollen Kontakten für das Start-up ihres Mannes.

James blickt gerne auf seine 50jährige VCU-Mitgliedschaft zurück. Seine persönliche Teilnahme ist allerdings seltener geworden, die meisten seiner langjährigen Freunde sind verstorben oder haben sich zurückgezogen, andere Aktivitäten und Netzwerke geniessen heute Priorität.

James, wir lassen Dich nur ungern gehen. Vielen Dank für das anregende, spannende und so offene und persönliche Gespräch, vielen Dank für Deine lange und treue Mitgliedschaft. Dir, Marguerite und der ganzen Familie auf der ganzen Welt alles Gute, Gesundheit und Gottes Segen.


Autor:

Roland Gröbli
Co-Präsidium VCU Zürich

 


Bilder: Roland und Sebastian Gröbli


James Ladner am 6. Juni 2024 in Zürich.


James Ladner an der VCU Jahrestagung 2022 in Zürich.