Editorial

Editorial

Wer hat sich vor einem Jahr die Welt von heute vorstellen kön­nen? Wahrschein­lich nie­mand oder höch­stens einige der grössten Pes­simis­ten — und auch diese nicht in sämtlichen Dimensionen.

Ich glaube, dass wir heute am Anfang ein­er Zeit­en­wende von glob­alem Aus­mass ste­hen, und dies in ein­er Grössenord­nung, wie sie vor Kurzem noch undenkbar gewe­sen ist. Denn: Wir wer­den fast täglich mit Neg­a­tivmel­dun­gen kon­fron­tiert, welche wir für immer in die Geschichts­büch­er ver­ban­nt zu haben glaubten.

Da ist der erste Krieg in Europa seit fast achtzig Jahren, welch­er durch den unberechen­baren Despoten ein­er nuk­learen Gross­macht aus­gelöst wurde. Er hat somit das Poten­tial für einen Flächen­brand von unvorstell­barem Aus­mass. 

Nicht durch den Ukrainekrieg aus­gelöst, aber sich­er dadurch beschle­u­nigt, zeich­net sich das Ende der uneingeschränk­ten Glob­al­isierung ab. Die ins Stock­en ger­ate­nen Liefer­ket­ten haben uns drastisch vor Augen geführt, wie unbe­darft sich die west­liche Kon­sumge­sellschaft in hochriskante Abhängigkeit­en von autokratis­chen und somit unberechen­baren Regimes begeben hat.

Es macht ganz den Anschein, als ob unsere Welt aus den Fugen ger­at­en ist. Unsere Gesellschaft, welche auf dem Fun­da­ment von ständi­gem Wach­s­tum, hohem Ressourcenver­brauch, stetiger Ver­füg­barkeit von Gütern und Dien­stleis­tun­gen und sozialer Sicher­heit auf­baut, ist an einem Wen­depunkt in der Geschichte angekom­men, eben — ­ein­er «Zeit­en­wende»!

Ohne in Pes­simis­mus zu ver­fall­en, soll­ten wir zur Ken­nt­nis nehmen, dass ein Wach­s­tum unseres Wohl­stands, so wie wir ihn aus den let­zten siebzig Jahren ken­nen, wed­er nach­haltig noch zukun­ft­sori­en­tiert ist. Schon in diesem Jahr wird die Welt­bevölkerung die 8‑Mil­liar­den-Marke übertr­e­f­fen! Wenn wir also unsere Augen offen hal­ten für die weltweite Entwick­lung bei der Infla­tion, der Kli­maer­wär­mung und der damit ver­bun­de­nen Verk­nap­pung von Ressourcen wie Wass­er und Nah-rungsmit­teln, bzw. der nicht unbeschränk­ten Ver­füg­barkeit von Energie, dann müssen wir zum Schluss gelan­gen, dass die Gren­zen des Wach­s­tums wohl nicht mehr in allzu weit­er Ferne liegen. 

Da stellt sich mir beson­ders auch als Mit­glied der VCU die Frage, ob wir nicht schon bald auf ein wenig unseres Wohl­stands zugun­sten von weniger begüterten Men­schen auf dieser Welt wer­den verzicht­en müssen.

In diesem Sinne wün­sche ich uns allen ein «hap­py downsizing».

Autor:

Leon­hard Grämiger, Präsi­dent RG Ostschweiz